Teile des palästinensischen Susiya, am rechten oberen Bildrand die Ausgrabungsstätte/Old Susiya
Noch bevor ich mich als EA beworben hatte und ohne je vorher in Palästina gewesen zu sein, hatte ich schon den Namen Susiya gehört. Susiya ist eine Hochburg des friedlichen Widerstands, die es innerhalb der letzten zehn Jahre geschafft hat, international wahrgenommen zu werden. Für den 26.Februar war ein Gerichtsurteil über die Zerstörung der Gemeinde erwartet wurden, seither wird der Termin immer wieder verschoben.
Jibreen ist Farmer und lebt im kleinen Dorf Qawawis in den South Hebron Hills (siehe Karte). Am 8.Februar wurde er von der israelischen Polizei festgenommen. An diesem Tag hatten wir ihn mit seinen etwa 40 Schafen und einigen Lämmern ganz in der Nähe seines Wohnortes begleitet. Er hatte in der Vergangenheit immer wieder Übergriffe von Siedlern erlebt und daher unsere Präsenz als Schutzmaßnahme angefragt.
Vor einigen Tagen habe ich an einer Tour von „Breaking the Silence“(1) in Hebron teilgenommen. Diese Organisation besteht aus ehemaligen israelischen Soldaten, die öffentlich über ihre Militärzeit in der Westbank berichten. Ihr Ziel ist es, die israelische Gesellschaft mit dem zu konfrontieren, was im Namen der Sicherheit durch das Militär in den palästinensischen Gebieten geschieht. Ihnen geht es nicht um Schuldzuweisung gegen Soldaten oder das Militär, aber sie wollen das System verändern, in dem tägliches Unrecht möglich ist. Manche von ihnen werden wegen dieser Tätigkeit von ihrem sozialen Umfeld ausgeschlossen, als Verräter beschimpft oder gar anonym bedroht.
Dkaika liegt im äußersten Süden des Westjordanlands, ganz am Rande der South Hebron Hills in Area C, die unter vollständiger israelischer Kontrolle steht. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Grüne Linie, die Waffenstillstandsgrenze von 1949, die heute international als Grenze zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten anerkannt wird. Die Trennbarriere wurde hier noch nicht gebaut, an vielen anderen Stellen der Westbank schneidet sie als Mauer oder Zaun tief in palästinensisches Gebiet ein. Und auch die geplante Route nahe Dkaika würde nicht der Grünen Linie folgen (siehe Karte). Obwohl das Dorf nur ungefähr 30 km von unserer Basis in Yatta entfernt liegt, benötigen wir mit unserem Fahrer mehr als 40 Minuten dorthin, das letzte Stück ist Piste und das allerletzte Stück gehen wir zu Fuß.
Alltag – an manchen Tagen habe ich das Gefühl, dass ich mich in den wenigen Wochen hier an das Leben gewöhnt habe. Ist das gut oder schlecht? Es ist gut, indem viele der Eindrücke nicht mehr so überwältigend erscheinen. Es wäre schlecht, wenn es mich blind machte für all das, was hier nebeneinander steht. Mein Hauptbestreben ist es, offen zu bleiben, mich nicht festzulegen in einer generellen Bewertung der einen oder anderen Seite. Dies scheint so leicht zu passieren in diesem Land. Für mich ist der offene Blick für alles hier überlebenswichtig.
Neben der „eigentlichen“ Arbeit, habe ich es mir inzwischen zur Hauptaufgabe gemacht, nach möglichst vielen, vor allem positiven Facetten in diesem Land zu suchen. Bei allem, was ich höre und erlebe, will ich dieses Land nicht bitter verlassen! Es gibt hier viele Wahrheiten – die auch ganz gegensätzlich nebeneinander stehen können: mittags schlucke ich an meinen Tränen, nachdem wir einen Palästinenser besuchen, dessen Neubau gerade abgerissen wurde – und abends gehe ich inspiriert von einem Vortrag eines Israeli und eines Palästinensers nach Hause. Der Israeli sagte „Vielleicht geht es auf einer spirituellen Ebene darum, Zusammensein und Trennung zu leben.“ Das erlebe auch ich als Herausforderung. Es ist so leicht, das was wir kennen, als die volle Wahrheit anzunehmen. Dagegen hilft nur: offen sein für das, was ganz unerwartet auch da ist.
Taube mit Olivenzweig, das Symbol der Hoffnung auf Frieden an einer palästinensischen Hauswand
In der kurzen Zeit meines bisherigen Einsatzes eröffnet sich mir die Vielschichtigkeit des Konflikts auf diesem Flecken Erde – und gleichzeitig verstehe ich immer weniger. Je mehr ich lerne, desto mehr lose Enden entdecke ich. Unsere Arbeit ist weder pro Israel noch pro Palästina sondern pro Gerechtigkeit. Da die Palästinenser jedoch mehr Menschenrechts-verletzungen erleben liegt der Schwerpunkt unserer Präsenz auf der palästinensischen Seite.
Es ist ein ganz gewöhnlicher Freitag im Flüchtlingslager Aida in Bethlehem. Wochenende. Jungs zwischen 8 und 12 Jahren sitzen am Straßenrand. Spielen… Tippen auf ihren Handys… Fahren mit Fahrrädern die Straße entlang…
Zwei von ihnen sitzen im Antiquitätenladen in einer Garage, wo man vom alten Fleischwolf ohne Kurbel, über diverse Radios aus der Weltkriegs- und Nachweltkriegszeit, bis zur Flachschreibmaschine alles erwerben kann, was man sonst nur beim Souterrain-Trödler in Berlin-Kreuzberg findet.
Wadi Nwar und Khan al Ahmar gehören zu einer Gruppe von Beduinen- und Hirtengemeinden, die laut Vereinter Nationen besonders gefährdet sind, gegen ihren Willen umgesiedelt zu werden. 2014 veröffentlichten die israelischen Behörden den sogenannten Nuweimah-Plan, der die Umsiedlung mehrerer Tausend Menschen aus ihren derzeitigen Dörfern in drei Beduinen-Townships vorsieht. In diesen Städten könnten die Beduinen und Hirten ihre traditionelle Lebensweise nicht weiterführen und müssten aufgrund des Mangels an Weideflächen große Teile ihrer Tierhaltung aufgeben, die heute für viele die Hauptlebensgrundlage darstellt (weitere Infos unter: http://www.ochaopt.org /content/bedouin-communities-risk-forcible-transfer-september-2014, Karte siehe unten).
Agricultural Checkpoints – Getrennt von Feldern und Plantagen
Der Landwirtschafts-Checkpoint in Quaffin
Seit Ende April bin ich mit meinem kleinen Team von 3 EAs (Ecumenical Accompaniers) im Standort in Tulkarm. Es handelt sich überwiegend um ein sehr fruchtbares landwirtschaftliches Gebiet, in dem viele Bewohner vom Ackerbau leben. Da Tulkarm am Fuße des palästinensischen Berglandes liegt, treten hier viele Wasserquellen zu Tage. Viele der örtlichen Brunnen haben bereits vor der israelischen Staatsgründung existiert und deshalb ist das Wasserproblem in diesem Gebiet vergleichsweise klein.